Zwischenruf

Natürlich weiß ich als leidgeprüfter Fan des 1. FC Nürnberg, dass man mit rot-schwarzem Herzen kurz vor dem letzten Spiel der Saison auf Schalke momentan ganz andere Sorgen hat, als gesellschaftspolitische Anliegen. Trotzdem oder gerade deshalb: Es gibt Dinge, die ausgesprochen werden müssen – ganz egal, ob man sich gerade auf dem besten Wege in die zweite Liga befindet oder als unerschütterlicher Optimist an das „Wunder von Gelsenkirchen“ glaubt.
Ich sage es mal so: So lange Homophobie im Fußball ein Thema ist, ist es ein Thema und es gibt keinen richtigen oder falschen Zeitpunkt darauf aufmerksam zu machen, dass es ausgerechnet der Lieblingssport der Deutschen ist, der in seinen gesellschaftspolitischen Ansichten meilenweit hinterher hinkt. Wir jubeln homosexuellen Musikern auf allen Bühnen der Republik zu, gehen ins Kino und schmachten bei hocherotischen Liebesszenen, ohne über die wahren sexuellen Vorlieben der Schauspieler auf der Leinwand auch nur einen Gedanken zu verschwenden. Wir haben in Berlin einen schwulen Bürgermeister und selbst bei einem politischen Elefant im Porzellanladen, der vier Jahre lang unser Außenminister war, war seine sexuelle Ausrichtung nie wirklich ein Thema.
All dies geht in einer freiheitlichen, toleranten Gesellschaft und nur im Fußball soll das auch im Jahr 2014 noch nicht möglich sein?
Tut mir leid, aber in meinen Kopf will das nicht rein. Die kranken Menschen sind nicht die, die homosexuell sind, sondern die, die glauben, ihren eigenen, beschränkten Horizont hinter offener Homophobie verstecken zu können.
Es hat sich bezüglich Homophobie im Fußball in den letzten Jahren mit Sicherheit schon viel getan – es wird sich in den nächsten Jahren jedoch auch noch viel tun müssen. Wer auf Menschen nur aufgrund ihrer sexuellen Ausrichtung schimpft, ist keinen Deut besser als jemand, der andere Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe diskreditiert. Schimpfen in der Fußballkurve muss erlaubt sein – wer schlecht spielt wird ausgepfiffen. Die Herren Fußballprofis müssen das aushalten, dafür werden sie gut genug bezahlt. Doch genauso, wie wir unseren „Helden“ auf dem Fußballplatz ohne Hinterfragung persönlicher Vorlieben zujubeln, wenn sie ein Tor für unsere Mannschaft schießen, genauso sollten wir uns bei Schimpf und Schande darauf konzentrieren, was auf dem Platz geschieht und mit der unmittelbaren Arbeitsauffassung der Profis, die das Trikot unseres Lieblingsvereins tragen, zu tun hat. Wer absteigt, ist in gewisser Weise ein Versager – er ist nicht so gut wie die Anderen, hat den Job, für den er bezahlt wird, nicht so gut erledigt wie seine Konkurrenten. Und dafür darf er kritisiert und ausgebuht werden. Wir als Zuschauer bezahlen dafür, den Profi bei der Ausübung seines Jobs zu beobachten – ein Recht, sein Privatleben zu kritisieren haben wir nur, wenn dieses unmittelbar dazu führt, dass er seinen Job nicht ordentlich ausführen kann. Seine sexuellen Vorlieben gehören jedoch mit Sicherheit nicht zu den Dingen, die einen Fußballer besser oder schlechter machen. Im Gegenteil: Hat eigentlich schon mal jemand darüber nachgedacht, wie befreit ein vielleicht auch nur mittelmäßig begabter Fußballer aufspielen könnte, müsste er nicht dauernd mit der Angst leben, dass sein wahres Ich entdeckt wird?
In diesem Sinne: Den Stand der Dinge in Sachen Homophobie hat Marcus Wiebusch, seines Zeichens Ex-Sänger von „…But Alive“ und „Kettcar“, in seinem Song „Der Tag wird kommen“ so auf den Punkt zusammengefasst, wie man es viel besser in meinen Augen nicht machen kann. Hoffen wir alle und arbeiten wir daran, dass der von Wiebusch besungene Tag so schnell wie möglich kommt.

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